Im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Staaten handhabt die Schweiz ihre Gesetzesauslegung für das Online-Glücksspiel verhältnismäßig restriktiv.
Online-Glücksspiele werden weltweit immer relevanter und beliebter. Das Segment der Gaming-Branche ist in den letzten Jahren enorm gewachsen. Immer mehr Menschen haben das Angebot der digitalen Spiele für sich entdeckt und spielen mit Smartphone, Computer oder Tablet in den verschiedenen Online Casinos. Dieser Trend ist auch in der Schweiz seit Jahren zu beobachten. Die Regierung reagierte 2019 auf die Entwicklung und führte ein neues Glücksspielgesetz ein, das Online-Glücksspiele erlaubt, den heimischen Markt jedoch vollständig von ausländischen Anbietern abschirmt. Ist dieser Ansatz vorbildlich oder eher suboptimal?
Online-Glücksspiel erlebt Boom
Das Online-Glücksspiel erlebt seit geraumer Zeit Hochkonjunktur. Insbesondere im Coronajahr 2020 ist der Markt für digitale Glücksspiele enorm gewachsen. Durch den Lockdown haben viele Menschen das Online-Glücksspiel für sich entdeckt und so ein neues Hobby entwickelt. Bereits vor der pandemischen Krise befand sich das Online-Segment der Glücksspielindustrie auf dem aufsteigenden Ast und verzeichnete einen enormen Zulauf.
Die vor Jahren eingesetzte Boomphase hat auch vor der Schweiz keinen Halt gemacht. Die rechtlichen Grundlage für das immer relevanter werdende Online-Glücksspiel wurde von der Regierung im Januar 2019 geschaffen. Schweizer Online-Casinos ist es seitdem erlaubt, auf dem hiesigen Markt zu operieren. Dennoch verfolgt die Politik im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Staaten eine sehr restriktive Gangart für das nationale Online-Glücksspiel.
Als gesetzliche Basis dient das Neue Geldspielgesetz (BGS). Es vereint das bisherige Spielbankengesetz (1998) und das Lotteriegesetz (1923). Der Rechtsrahmen regelt dabei nicht nur das digitale, sondern auch das analoge Glücksspiel. Demnach sind unter anderem Roulette, Blackjack und Spielautomaten ausschließlich in Casinos erlaubt. Glücksspiele außerhalb lizensierter Einrichtungen gelten als illegal. Zusätzlich gelten strikte Maßnahmen für Spieler- und Jugendschutz.
Das BGS erlaubt es landesbasierten Casinos ihr Spielangebot auch Online zu offerieren. Derzeit gibt es über die folgenden Standorte Online-Angebote in der Schweiz: Bern, Interlaken, Davos, Pfäffikon, Baden, Luzern, Lugano und Meyrin. Auch wenn die jeweiligen Online-Casinos an die terrestrischen Standorte angebunden sind, kann die Spielergemeinde aus dem gesamten Land auf sie zugreifen.
Ausländische Anbieter werden ausgeschlossen
Mit dem BGS hat die Schweiz nicht nur das Online-Glücksspiel liberalisiert, sondern auch die Bekämpfung des illegalen Geldspiels verschärft. So können ausschließlich die landesbasierten Casinos innerhalb des Landes eine Konzessionserweiterung für eine Online-Präsenz erwirken. Diese wird vom Bundesrat und von der Eidgenössischen Spielbankenkommission (ESBK), der nationalen Glücksspielbehörde, vergeben.
Ausländische Online-Casinos und Glücksspielbetreiber haben nicht die Möglichkeit, auf dem Schweizer Glücksspielmarkt tätig zu werden. Ihre Apps, Plattformen und Websites befinden sich auf einer Sperrliste und werden durch das IP-Blocking ausgesperrt. Spielende in der Schweiz können entsprechend auf viele Online-Casinos nicht zugreifen.
Ihre Vorgehensweise begründen Regierung und ESBK darauf, dass die Online-Spielangebote der im Ausland ansässigen Betreiber nicht der eigenen Aufsicht unterliegen und damit nicht den Sozialschutz- oder Geldwäschebestimmungen des Geldspielgesetzes entsprechen. Darüber hinaus zahlen die ausländischen Online-Casinos weder Steuern noch Abgaben in der Schweiz.
Freiwilliger Rückzug
Als das BGS im Januar 2019 in Kraft getreten ist, haben sich viele ausländische Glücksspielanbieter umgehend vom hiesigen Markt zurückgezogen und die Konten der Schweizer Kunden gekündigt. Die Sperrliste hätte nach Auffassung vieler Branchenexperten zwar ihren Teil zu dieser Entwicklung beigetragen, der Effekt des neuen Rechtsrahmens sei jedoch deutlich stärker gewesen. Eine Sperrliste sei kein wirkungsvolles Mittel, um unerwünschte Anbieter vom Markt fernzuhalten. Mit technischem Knowhow sei es problemlos möglich, solche digitalen Sperren zu umgehen.
Die Einschätzung der Experten hat sich in den vergangenen zwei Jahren bestätigt. Gleichwohl viele ausländische Online-Casino der Schweiz freiwillig den Rücken gekehrt haben, gibt es noch genügend Anbieter, die auf dem hiesigen Markt tätig sind. Sie schaffen es, dem IP-Blocking zu entgehen oder stehen gar nicht erst auf der Sperrliste. In der Praxis ist es entsprechend schwierig, Sperren im Internet wirkungsvoll durchzusetzen.
Glücksspielgesetz sorgt für Probleme
Das wohl größte Problem, dass die Schweizer Glücksspielfans mit der neuen Gesetzgebung assoziieren, ist der Umfang des legalen Glücksspielangebots. Zig erfahrene Spieler und alteingesessene Zocker haben viele Jahre lang zahlreiche Online-Casinos aus aller Welt genutzt und sind einen gewissen Standard gewohnt. Diesen können die lizensierten Schweizer Casinos (noch) nicht erfüllen. Die Angebote sind relativ klein und auch technisch nicht auf dem internationalen Niveau.
Die Erfahrungen in anderen Ländern zeigen, dass es ohne ein attraktives legales Angebot schwierig ist, die Nutzung von zugelassenen Angeboten zu unterbinden. Aus diesem Grund befürworten die meisten Experten eine Legalisierung mit einer strengen, aber fairen Regulierung, die für alle Online-Glücksspielanbieter gilt. Eine Abschottung soll entsprechend nicht stattfinden. Denn nur wenn das legale Angebot attraktiv ist, entscheidet sich die Spielergemeinde gegen unzulässige Glücksspielanbieter und für die legalen Varianten.
Das ist jedoch derzeit alles nur Makulatur. Politik und ESBK haben sich für ein anderes Modell entschieden, das für viele Probleme sorgt und in naher Zukunft ein Umdenken erzwingen könnte. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass immer mehr Glücksspieler in der Schweiz den legalen Online-Casinos den Rücken kehren und das attraktivere Spielangebot aus dem Ausland wahrnehmen.
Regulierung des Online-Glücksspiels – vorbildhaft oder suboptimal?
Abschottung hat in der menschlichen Historie noch nie funktioniert. Systeme, die auf diesem Prinzip beruhten, waren auf kurz oder lang zum Scheitern verurteilt. Gerade im Zeitalter der Digitalisierung ist Abschottung ein Ding der Unmöglichkeit. Regierung und ESBK haben sich jedoch für diesen Weg entschieden. Ausländische Online-Glücksspielanbieter sind auf dem hiesigen Markt unerwünscht. Per Gesetz und Sperrliste wird ihnen der Eintritt verweigert – soweit die Theorie.
Die Praxis zeichnet ein anderes Bild. Die Sperrliste ist fehlerhaft, das IP-Blocking funktioniert nicht richtig und die Spielergemeinde springt nicht auf das legale Glücksspielangebot an. Zum jetzigen Zeitpunkt ist die Regulierung des Online-Glücksspiels nicht nur suboptimal, sondern überhaupt nicht zeitgemäß. Ein moderner und liberaler Umgang mit einer Branche, die eine effektive und regulierte Kanalisierung benötigt, ist laut Auffassung vieler Experten zwingend erforderlich. Auch wenn der Schweizer Glücksspielmarkt im europäischen Vergleich relativ klein ist, kann in puncto Regulierung nicht die Rede von einer Vorbildfunktion sein.
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